Esfahan – Shiraz 19.11. – 28.11.2012

Die meisten Sehenswürdigkeiten von Esfahan konzentrieren sich alle um den Platz Meydan-e Imam.
Der Zufall will es, dass mit Patrik und Michael noch zwei andere Schweizer in unserem Hotel logieren, welche mit ihrem Subaru Forester aus Zürich bis in den Iran gefahren sind. Mit ihnen besichtigen wir am ersten Morgen die Masdjed-e Imam, die aus der Safaviden-Zeit stammende Hofmoschee. Ihr Bau dauerte gut zwanzig Jahre, doch erlebte deren Stifter Shah Abbas ihre Fertigstellung nicht mehr. Besonders beeindruckend ist das Stalaktitengewölbe des Eingangsportals. Man sagt, dass in dem Bauwerk 472’550 Fliesen verbaut worden sind. Die gesamte Aussenfassade ist mit Fliesen auf blauem Grund verkleidet und florale Ornamente in Gelb- und Grüntönen schaffen eine vollständige Harmonie.

Besonders beeindruckt sind wir von der, auf der Ostseite des Meydan-e Imam stehenden Lotfollah Moschee. Sie wurde anfangs des 17. Jh. gebaut und diente als Privatmoschee. Ihre Besonderheit ist die Kuppel aus dem Kontrast zwischen der natürlichen Farbe der Lehmziegel und dem Schwarz und Weiss der Arabesken. Je nach Sonnenstand und Lichtintensität verändert sich die Farbe der Kuppel.
Die Akustik im Innern der Kuppel ist hervorragend, was Patrik zu einem Naturjodel bewegt und bei uns eine Gänsehaut erzeugt.

Weil heute Andis Geburtstag ist, lädt er uns alle zu einem traditionellen iranischen Mittagessen ein. Danach machen wir alleine, den an der Nordseite des Platzes befindenden Bazar unsicher. Leider ist von dem früher dichten Netz an Bazargassen nur noch ein bescheidener Teil vorhanden. Man findet hier Teppichgeschäfte, Kunsthandwerk und Antiquitäten. Besonders interessant ist der Innenhofkomplex, wo man den Stoffdruckern bei der Arbeit zusehen kann. Unser Platz in den Velotaschen ist jedoch beschränkt und so bleibt es halt nur beim Anschauen und Staunen.

Wir schliessen Esfahan mit seinen liebenswürdigen und aufgestellten Menschen in unsere Herzen. Einmal mehr sind wir beeindruckt von der Intelligenz der jungen Iraner. So auch von Mohammad Reza, welcher im Nebenjob nachts in unserem Hotel an der Rezeption arbeitet. Da er nach Europa arbeiten gehen will, hat er sich im Selbststudium neben Englisch auch Deutsch und Italienisch beigebracht.

Nach fünf Tagen führt uns eine steile Strasse in südlicher Richtung aus Esfahan hinaus. Es ist kalt und windig und der Winter steht definitiv vor der Tür. Die nächsten 470 Kilometer werden zu einer ersten grösseren Härteprobe. Die Strecke führt uns zum Teil durch eine rötliche und unwirtliche Steinwüste, mit Pässen von über 2’200 Meter in die Zagros-Berge. Ständig klebt eine graue, dunkle Wolkendecke am Himmel, welche sich immer wieder über uns entleert. Ist der Sternenhimmel ausnahmsweise mal sichtbar, fallen die Temperaturen nachts merklich unter null Grad und wir müssen unser Zelt anderntags gefroren in den Packsack stopfen. Ein Feeling besonderer Art ist es, bevor man morgens starten will, im Nieselregen mit klammen Fingern ein Platten flicken zu müssen.

Wir erleben auch auf dieser Strecke tolle Begegnungen. Auf der einen Seite sind es Autofahrer, welche am Strassenrand anhalten und uns einen heissen Tee in die Hände drücken und auf der anderen Seite Dorfbewohner, die uns spontan zu sich nach Hause zum Essen und Übernachten einladen.

Neben Ramadan ist der Ashura der zehnte Tag des Muharram (Trauermonat), einer der wichtigsten religiösen Feiertage der Schiiten. An diesem Tag wird der Ermordung des dritten Imams Hossein, 680 n.Chr. in Kerbala (Irak) gedacht. Zu diesem Anlass marschieren die Gläubigen mit Standarten und Bannern durch die Dörfer und geisseln sich mit leichten Stahlketten symbolisch in Erinnerung an die Leiden Hosseins. Früher wurde dies mit richtigen Schwertern gemacht, was aber heute in Iran verboten ist.

Wir haben das Glück und sind am Tag zuvor (Tashua) bei einer Familie in Hamet Abad eingeladen. Auf der Strasse und wieder einmal bei strömenden Regen hält ein Autofahrer neben uns an und lädt uns zu einem Tee ein. Wir erreichen sein Dorf über einen vom Regen aufgeweichten Lehmpfad. Nachdem wir uns von unseren mit Dreck marmorierten Regenklamotten befreit haben, dürfen wir seine warme Stube betreten und landen mitten in einer grossen Festgesellschaft. Wir können uns auf ein paar bequeme Kissen setzen, wo uns Tee serviert wird. Immer mehr Gäste tauchen auf, um uns zu begrüssen und mit Fragen zu löchern. Sie wollen wissen, wie wir über Iran, das Land und die Menschen denken. Nicht einer von ihnen ist Sympathisant von der Regierung und sie machen sogar Witze über ihren kleinwüchsigen Präsidenten. Sie möchten am liebsten so leben wie wir in Europa, frei und ohne dauernd kontrolliert zu werden. Manch einer bittet uns, unseren Freunden in der Schweiz zu erklären, dass in Iran nicht alle Menschen Terroristen sind, so wie es uns die Medien weiss machen wollen.

Obwohl wir heute noch keine 20 Kilometer gefahren sind, drängen sie uns noch zum Mittagessen zu bleiben, um mit ihnen den Tashua zu zelebrieren. Die Gesellschaft spaltet sich auf und die Männer dislozieren in eines der Nachbarhäuser. Die Frauen bleiben hier. Wir setzen uns vor grosse am Boden ausgebreitete Wachstischtücher, auf denen gegessen wird. Wir können uns aus riesigen Platten gefüllt mit Reis und Khoresht-e Ghorme Sabzi (dicke Sosse aus frischem Gemüse und Kräutern mit Limetten und Hammelfleisch) bedienen. Dazu werden frische Kräuter und in Essig eingelegtes Gemüse serviert. Sobald der Teller gefüllt ist, fängt man ohne zu warten an zu essen. Mit einer für uns Schweizer unvorstellbaren Geschwindigkeit schaufelt jeder das Essen in sich hinein, als ob morgen die sieben mageren Jahre beginnen. Nach einer Viertelstunde ist der ganze Zauber vorbei und die Männer trinken Tee und lehnen sich zurück, während die Frauen den Abwasch tätigen.

Da der Regen nicht mehr nachlässt, braucht es keine grossen Überredungskünste, dass wir auch über Nacht bleiben. Die Frauen und Männer ziehen noch immer getrennt von Haus zu Haus, um Tee zu trinken und miteinander zu plaudern. Wir sind erstaunt in jedem Haus grosse, moderne Flachbildschirme anzutreffen. Das Abendessen wird in einem ähnlichen Rahmen, jedoch bei andern Familien eingenommen. Nach Tee und Granatäpfeln zur Nachspeise werden am Boden Matratzen und Decken für die Nachtruhe ausgelegt. Alles ist unkompliziert und wir fühlen uns sehr wohl in dieser Gesellschaft. Nach einem traditionellen Frühstück mit ofenfrischem Fladenbrot, Käse, Baumnüssen und Tee verabschieden wir uns und rollen die noch fehlenden hundert Kilometer bis nach Shiraz. Unsere Fahrt wird immer wieder durch die vielen Prozessionen in den Dörfern gestoppt. Als wir um die Mittagszeit Marvdasht erreichen, schenkt uns eine Familie einen Styroporbehälter mit Reis und Pouletfleisch. Kaum verdrückt, bekommen wir bereits ein weiteres Mittagessen geschenkt und so geht es, bis wir Marvdasht wieder verlassen haben. Unsere Taschen sind bis an den Rand gefüllt und wir müssen uns richtig wehren, damit wir wir keine weiteren Menüs mehr einpacken müssen. Wir freuen uns, denn unser Nachtessen ist auch gesichert.

Wir erreichen Shiraz, die Stadt der Blumen und Nachtigallen nach Sonnenuntergang und kämpfen uns in der Dunkelheit bis ins Zentrum vor. Morgen heisst es das Visum zu verlängern, Kleider zu waschen und unsere Homepage wieder auf Vordermann zu bringen.

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