McLeod Ganj – Srinagar 4.4. – 24.4.2013

Länger als geplant bleiben wir in McLeod Ganj. Die herzlichen Tibeter, die friedvolle Stimmung und die vielen einladenden Verkaufsstände mit tibetischen Artikeln lassen uns hier die Zeit vergessen. Auf dem idyllischen Tempelweg, welcher um den Wohnsitz des Dalai Lamas führt, holen wir uns bei den vielen Gebetsmühlen Glück für unsere Weiterreise.

McLeod Ganj ist seit 1960 das Domizil des religiösen Oberhaupts von Tibet. Dalai Lama und Hunderttausende seiner Landsleute flohen infolge der chinesischen Besetzung ein Jahr zuvor nach Indien und hoffen noch heute irgendwann wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Viele Tibeter erzählen uns von ihrer Flucht über den Himalaya durch knietiefen Schnee. Oft waren sie wochenlang unterwegs und hatten keine Ahnung wo sie sich befanden. Überall in McLeod Ganj sind grosse Plakate mit Bildern und Namen von Menschen aufgehängt, welche sich für ein freies Tibet in Form von Selbstverbrennung geopfert haben.

Mit unvergesslichen Erinnerungen und ohne Dalai Lama gesehen zu haben, verlassen wir frühmorgens McLeod Ganj. Viel zu schnell verlieren wir unsere hart erkämpften Höhenmeter wieder und werden mit der erdrückenden Hitze des Tieflandes konfrontiert. Bei 40 Grad rollen wir bis Pathankot, wo wir anderntags mit dem 05.15 Uhr Zug (welcher sich bei jeder Station etwas mehr füllt) ins rund 130 Kilometer südwestlich gelegene Amritsar holpern. Hier erwartet uns mit dem Goldenen Tempel ein weiterer Höhepunkt unserer Indienreise.

Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen und die obligate Kopfbedeckung montiert haben, dürfen wir das Haupttor betreten. Der erste Blick auf den inmitten eines kleinen Sees „schwimmenden“ Goldenen Tempel ist faszinierend. Mit seinen in alle vier Himmelsrichtungen öffnenden Eingangstoren symbolisiert er die Offenheit der Sikhs, wonach jeder Gläubige, egal welcher Religionsgemeinschaft oder Nationalität, im Tempel willkommen ist. In zwei riesigen Speisesälen werden täglich bis zu 20’000 Pilger und Besucher kostenlos verpflegt. Weiter können in der Tempelanlage gegen eine freiwillige Spende auswärtige Besucher übernachten. Wir erleben die Sikhs als angenehme, offene und kultivierte Menschen.

Nach nur gerade zwei Tagen in Punjab erreichen wir kurz nach Pathankot den nächsten Bundesstaat Jammu&Kaschmir. Es ist auch unsere letzte flache Etappe, bevor es nach Jammu wieder in die Berge geht und unser nächstes Ziel ist das 292 Kilometer entfernte Srinagar. Anstatt fünf Tage brauchen wir deren neun, weil wir zweimal wegen Magendarmkäfern pausieren müssen. Noch nie waren wir so froh um ein deckelloses WC und eine Toilette mit Fenster ohne Glaseinsatz für eine optimale Entlüftung. Dank Bananen, trockenen Biskuits, schwarzer Schokolade und Kohletabletten haben wir Montezumas Rache wieder in den Griff bekommen.

Die Strecke ist gespickt mit vielen Pässen, schlechten Strassenabschnitten, etlichen staubigen Baustellen, langen Militärkonvois und viel Verkehr. Misstrauisch bis bösartig gaffen uns die vielen am Strassenrand hockenden Affen nach, wie wir uns keuchend die steilen Strassen hochkurbeln. Zum ersten Mal haben wir das grosse Pech, dass Vandalen sich an Vrenis Fahrrad vergreifen. Als wir am Morgen in Kud abfahren wollen, bemerken wir das zerrissenen Schaltkabel und die defekte Vorderbremse. Auch das am Schutzblech aufgeklebte Glücksschwein fehlt. Obwohl wir die ganze Belegschaft des Hotels zusammentrommeln, will niemand davon etwas wissen.

Als wir den letzten Pass auf 2’250 m.ü.M. erreichen, trennt uns nur noch der 2.6 Kilometer lange, feuchte und stockdunkle Jawahar Tunnel von Kaschmir. Anderntags geht mit Srinagar für Vreni ein Traum in Erfüllung und für Andi ist es ein grosses Wiedersehen nach neun Jahren. Wir finden in einem der 1’200 schwimmenden Hausboote auf dem Dal Lake ein vorübergehendes Zuhause. Andi hat bereits viele alte Bekannte wieder getroffen und diese sind erstaunt, dass er es bereits zum zweiten Mal mit dem Fahrrad bis ins „Paradise of the world“ (wie die Kaschmiri immer behaupten) geschafft hat.

Die Strasse nach Leh soll auch schon bereits befahrbar sein, doch zuerst wollen wir Kaschmir und unser Hausboot geniessen, bevor wir unser letztes grosses Abenteuer in Angriff nehmen.

Dieser Beitrag wurde unter Reiseberichte Indien veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar